Terje Finnsen wünscht sich den „Betrachter im Bild", zumindest in seinen neuen
Waldstudien. Dunkle Tannen und helle Horizonte, die Tiefe der norwegischen Wälder
meinen wir vor uns, doch ist das Grün ein wenig zu grün. Seine abstrakten, meist
monochromen Leinwände dagegen erzählen keine Geschichten, die Farbflächen wirken
hermetisch, die Bildoberflächen scheinen versiegelt. Hier lässt er den Rezipienten
im Unklaren, ob die Bilder abstrakt oder ungegenständlich sind. Die kleinen
Bildformate erfordern eine nahe Betrachtung, eine genaue Untersuchung der delikaten
Bildoberflächen.
Innerhalb seines abstrakten Bildwerks entstehen keine Vorskizzen, die
Bildkomposition entwickelt er direkt mit Ölfarbe auf der Leinwand, teils mit dem
pinsel oder einem Spachtel, auch mit den Fingern oder Tüchern. Die Malspuren bleiben
stets sichtbar.
Ihn interessiert die Farbe als bildkonstituierendes Material, weiterhin formale
Strukturen wie die Fläche, Striche, Verdichtungen, Überlagerungen. Ziel sei eine
metaphysische Wirkung. Finnsen versteht — innerhalb seines ungegenständlichen
Werkes - Malerei als reine Malerei, jenseits konkreter Darstellung, auch jenseits
einer traditionellen Farbsymbolik. Früher, in seiner Studienzeit, arbeitete er
gegenständlich. Porträts, Landschaften und undefinierbare Objekte tauchen auf
seinen Leinwänden auf, inzwischen konzentriert er sein Schaffen auf
systematisierte, gleichzeitig jedoch freie Bildserien: Klumpen- und Fleckenbilder,
farbig monochrome Entwürfe und Landschaften in jeweils identischen Formaten. Keine
Bildserie ist abgeschlossen, die Einzelbilder der unterschiedlichen Sequenzen
entstehen teilweise parallel.
Die später hinzugefügten Bildtitel sind meist rein deskriptiv, die eigentlich
unbetitelten, monochromen Arbeiten benennt er — in Klammern gesetzt —zusätzlich mit
den Farbwerten; gelegentlich heißen seine Bilder auch „Wintersturm" oder „Grüne
Safari", hier werden die Assoziationen und Imaginationen der Bildbetrachter
ausnahmsweise gelenkt.
Die Farbwerte seiner abstrakten Schichtungen und Verklumpungen akzeptiert der
norwegische Maler erst, wenn eine Uneindeutigkeit erreicht ist, wenn die Farben
nicht genau zu bestimmen sind. Es geht ihm allein um die physische Präsenz der
Farbe, unabhängig vom perspektivischen Farbraum.
Terje Finnsen selbst nennt keine künstlerischen Vorbilder, der Betrachter seiner
Bilder denkt möglicherweise an Gerhard Richter, Robert Rauschenberg oder Robert
Ryman; doch das noch junge Werk von Finnsen lässt sich nicht eindeutig in eine
Traditionslinie setzen. Sein Professor Franz Erhard Walter bei dem er zwischen 1998
und 2002 in Hamburg studierte, brachte ihm Entscheidungskriterien für gute und
schlechte Kunst bei, wie Finnsen konstatiert, sowie kunsttheoretische Grundlagen.
So sind seine monochromen, teilweise pastosen und stofflichen Schichtungen, mit
Ölfarbe auf Leinwand ausgeführt, möglicherweise auch eine unbewusste Hommage an den
bedeutenden Lehrer.
Finnsens zeitlose Bilder definieren nicht-präzise Ausschnitte aus einem
Gesamtgeschehen, die Formate könnten durchaus etwas höher oder niedriger, breiter
oder schmaler ausfallen, ohne dass ihre subtile Wirkung verloren ginge.
Gleichzeitig wirken sie in ihrer Setzung abgeschlossen, weisen nicht über den
Bildrand hinaus wie manche all over-Gemälde des abstrakten Zu Tableaus angeordnet
werden aus den Einzelbildern Wandinstallationen. Finnsen beschreitet einen
eigenständigen Weg zwischen Darstellung und Abstraktion. Während des meist
schnellen Malprozesses ist er Produzent und Rezipient zugleich, es entstehen
komprimierte, haptische Bilder mit bewusst gesetzten malerischen Gesten in
gedeckten Mischfarben, ob es sich um eine taubenblaue Farbschicht oder eine
schmutziggrüne Waldlichtung handelt.
Matthias Harder
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